Grundlagen der Instandhaltung
1. Einleitung in die Grundlagen der Instandhaltung
Die „Grundlagen der Instandhaltung“ fassen Kernprozesse der Instandhaltung, gängige Instandhaltungsstrategien und ihre Transformation in digitale Systeme auf.
Zur einheitlichen Darstellung werden dabei die Begriffe zur Instandhaltung aus folgenden Normen verwendet: DIN EN 13306 (Begriffe der Instandhaltung), DIN 31051 (Grundlagen der Instandhaltung) und der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV).
2. Ziele der Instandhaltung
Die Instandhaltung von Anlagen und Netzen umfasst Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes sowie zur Bewahrung und Wiederherstellung des Soll-Zustandes und der Anlagensicherheit.
Die Ziele der Instandhaltung sind daher:
- Erhöhung der Lebensdauer von Anlagen und Maschinen
- Verbesserung der Betriebssicherheit
- Optimierung von Betriebsabläufen
- Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit
- Vorbeugung von Systemausfällen
- Reduzierung von Störungen
- Vorausschauende Planung von Kosten
- Maximierung der Produktivität bei gleichzeitiger Minimierung der operativen Aufwendungen für den Erhalt (Inspektion/Instandsetzung) und Sicherstellung der Versorgung
2.1 Die fünf Bereiche der Instandhaltung
3. Ordnungsbegriffe der Instandhaltung
3.1 Instandhaltung
Gemäß der DIN 31051 ist die Instandhaltung ein genormter Begriff und umfasst die Kombination aller technischen, analytischen und administrativen Maßnahmen einer Betrachtungseinheit (z. B. einer Anlage). Darüber hinaus umfasst die Instandhaltung die Erhaltung des funktionsfähigen Zustandes oder die Rückführung in diesen, sodass die Betrachtungseinheit ihre Funktion erfüllen kann.
3.2 Inspektion
Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes einer Anlage einschließlich der Bestimmung der Ursachen der Abnutzung und dem Ableiten der notwendigen Maßnahmen für eine künftige Nutzung.
3.2.1 Begehung
Die Begehung ist die einfachste Form der Inspektion. Sie erfolgt in der Regel während des laufenden Betriebs mit dem Ziel, durch (grobe) Inaugenscheinnahme den Gesamtzustand der Betrachtungseinheit zu überprüfen. Begehungen sind auch als Kontrollen im Sinne der Verkehrssicherungspflicht zu verstehen. Die Inaugenscheinnahme kann auch aus der Luft erfolgen (Befliegung).
3.2.2 Sichtkontrolle
Bei der Sichtkontrolle wird zusätzlich der Zustand der Betriebsmittel durch visuelle Begutachtung und durch Aufzeichnen von einfachen Zustandsgrößen, die durch Messgeber angezeigt werden, kontrolliert. Offensichtliche Funktionsmängel werden erfasst.
3.2.3 Funktionskontrolle
Die Funktionsprüfung wird durchgeführt, um zu bestätigen, dass eine Einheit imstande ist, die geforderte Funktion zu erfüllen. Offensichtliche Funktionsmängel werden erfasst.
3.2.4 Zustandsermittlung
Die Zustandsermittlung hat eine detaillierte Beurteilung des Ist-Zustandes der betrachteten Betriebsmittel nach objektivierbaren Kriterien zum Ziel. Welche diagnostischen Indikatoren zur Zustandsermittlung herangezogen werden können, lässt sich aus den Betriebserfahrungen, d. h. aus der Analyse der Fehlerschwerpunkte und Fehlerursachen ableiten.
3.2.5 Umsetzung im IT-System
Die Durchführung der Sichtkontrolle, Funktionskontrolle und Zustandsermittlung wird im IT-System über Tätigkeiten protokolliert (Wer hat wann, was gemacht). Die Erfassung von Mängeln und Ergebnissen dient der Bewertung des Anlagenzustandes.
3.3 Wartung
Die Wartung ist eine Maßnahme der vorbeugenden Instandhaltung zur Verzögerung der Abnutzung einer Anlage bzw. eines Objektes innerhalb einer Anlage. Eine Wartung ist keine Instandsetzung oder Reparatur.
3.4 Instandsetzung
Die Instandsetzung ist eine Maßnahme zur Rückführung oder Wiederherstellung einer Betrachtungseinheit in einen definierten funktionsfähigen Zustand. Sie ist eine physische Maßnahme, die ausgeführt wird, um die Funktion einer fehlerhaften Anlage wiederherzustellen:
- Austausch von abgenutzten Verschließteilen
- Reparatur von defekten Bauteilen
3.4.1 Reparatur
Reparatur ist der Vorgang, bei dem ein defektes Objekt in den ursprünglichen, funktionsfähigen Zustand zurückversetzt wird (eine Reparatur ist keine Wartung!).
3.5. Verbesserung
Die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen zur Steigerung der Zuverlässigkeit und/oder Instandhaltbarkeit und/oder Sicherheit einer Anlage, ohne ihre ursprüngliche Funktion zu ändern.
3.5.1 Umsetzung im IT-System
Im IT-System werden die einzelnen Maßnahmen zur Inspektion, Wartung und Reparatur als Tätigkeiten definiert. Eine Verbesserung der Instandhaltbarkeit kann dadurch erreicht werden, dass entsprechende Maßnahmen so in Aufgaben zusammengefasst werden, dass weniger Einzel-Aufgaben pro Zeiteinheit notwendig werden (Taktung ändern).
3.6 Beauftragte Personen / Sachkundige
Maßnahmen zur Instandhaltung dürfen nur von Personen durchgeführt werden, die spezielle, nachgewiesene Kenntnisse – auch auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit und des Umweltschutzes – besitzen. Dabei sind je nach Umfang und dem Schwierigkeitsgrad der zugewiesenen Instandhaltungsmaßnahmen unterschiedliche Qualifikationen der beauftragten Personen erforderlich.
Sachkundige sind z. B. Meister, Betriebsingenieure oder Fachkräfte. Sie sind aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung fachlich in der Lage, den arbeitssicheren Zustand eines Arbeitsmittels zu beurteilen. Voraussetzung ist, dass sie mit den Vorschriften, Regeln der Technik etc. vertraut sind.
Im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) spricht man bei einem Sachkundigen von einer „befähigten Person“.
Übersicht über die Rollen in der Instandhaltung:
Instandhaltungsleiter
Koordiniert übergreifend alle Maßnahmen und entscheidet über Strategien.
Instandhaltungsplaner
Disponiert die notwendigen geplanten Maßnahmen und die Störungsbehebung.
Anlagen- / Betriebsingenieur
Entscheidet nach Sicht- und Funktionsprüfung über notwendige Maßnahmen zur IH.
Werkstattmeister
Führt die Arbeitsvorbereitung für ein Instandhaltungsteam durch.
Techniker / Fachkraft
Führt als sachkundige Person Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durch.
3.6.1 Umsetzung im IT-System
Im IT-System werden Mitarbeiter, die für die Durchführung der Arbeiten an den Anlagen verantwortlich sind, als Personal geführt. Die notwendige „Sachkunde“ bzw. Befähigung wird in Form von Qualifikationen des Personals verwaltet. Je nach Qualifikation dürfen dann bestimmte Arbeiten an den Anlagenteilen durchgeführt werden. Für die Verwaltung dieser Befähigungen existiert ein eigenes Modul.
4. Instandhaltungsarten (nach DIN-Norm)
Die Instandhaltung dient dem Ziel, bestimmte Eigenschaften von Anlagen und Betriebsmitteln sicherzustellen. Diese Eigenschaften betreffen im Wesentlichen die Themenbereiche Verkehrssicherung und Funktionserhalt. Die im Folgenden in ihren Grundzügen beschriebenen Instandhaltungsarten können kombiniert werden. Die Analyse von Instandhaltungsergebnissen sowie der Störungs- und Schadensstatistik kann zur Kosten-Nutzen-Kontrolle und zur Identifizierung von Einsparpotenzialen verwendet werden. Die Erkenntnisse können allerdings erst mit Zeitverzögerung in einen Optimierungsprozess einfließen, wenn z. B. das Betriebsverhalten durch zusätzliche Alterungseffekte beeinflusst wird.
4.1 Ereignisorientierte (Ungeplante) Instandhaltung
Corrective Maintenance (CM) / Incident Based Maintenance (IBM)
Die ereignisorientierte Instandhaltung wird ausgeführt nach der Fehlererkennung, um eine Anlage in einen Zustand zu bringen, in dem sie eine geforderte Funktion wieder erfüllen kann. Sie muss ohne Aufschub nach der Fehlererkennung ausgeführt werden, um unannehmbare Folgen zu vermeiden.
Die ereignisorientierte Instandhaltung erzeugt meist die geringsten Kosten für die eigentlichen Instandhaltungsmaßnahmen, denn nur bei einem Fehlerereignis fallen Kosten an. Mögliche Folgekosten für Ausfall und Ersatz sind jedoch oftmals nur schwer abschätzbar. Daher kommt diese Instandhaltung nur dann zur Anwendung, wenn die Folgen eines Betriebsmittelausfalls überschaubar und räumlich begrenzt sind und eine Wiederinbetriebnahme durch geeignete Instandsetzungs-, Austausch- oder Erneuerungsmaßnahmen kurzfristig machbar ist. Bei der ereignisorientierten Instandhaltung wird der Ist-Zustand nicht systematisch durch Inspektionen erfasst.
Wartungen und Instandsetzungen werden nach Eintritt von Fehlfunktion bzw. anderen Ereignishäufungen oder bei Ausfall durchgeführt. Ggf. wird bei einem Ausfall der Anlage nicht nur der aktuelle Schaden behoben, sondern der Stillstand genutzt, um die übrigen Wartungsarbeiten ebenfalls durchzuführen.
4.1.1 Instandhaltung nach Eintritt von Fehlfunktionen
Diese Instandhaltungsart kommt bei wartungsarmen und nahezu wartungsfreien Betriebsmitteln mit hoher Zuverlässigkeit zum Einsatz. Voraussetzung ist, dass Auswirkungen in Folge der Fehlfunktion begrenzt sind. Die Instandhaltungsmaßnahme wird in der Regel sofort nach Funktionseinschränkung des Betriebsmittels eingeleitet.
4.1.2 Instandsetzung nach Ausfall
Dieser Instandhaltungsansatz nimmt eine Beeinträchtigung der Verfügbarkeit sowie zeitlich und lokal begrenzte Versorgungsausfälle in Kauf. Wenn keine (n-1)-Sicherheit oder Umschaltreserve vorhanden ist, werden die erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen üblicherweise unmittelbar nach Ausfall in Angriff genommen.
4.2 Vorbeugende (Geplante) [Intervallbasierte] Instandhaltung
Predictive Maintenance (PdM)
Die zyklische Instandhaltung ist dadurch charakterisiert, dass die Instandhaltungsmaßnahmen nach regelmäßigen Zeitintervallen unabhängig vom Zustand der Komponenten durchgeführt werden. Der Umfang der Instandhaltungsmaßnahmen ist dabei im Voraus vereinbart. Auf der Grundlage der Betriebserfahrungen werden die Instandhaltungszyklen so gewählt, dass die Funktionsfähigkeit des Betriebsmittels nicht gefährdet ist. Die zyklische Instandhaltung wird in den Bereichen eingesetzt, in denen eine hohe Zuverlässigkeit oder Sicherheit eines Betriebsmittels gefordert wird und im Betrieb ein Verschleiß von Betriebsmittelkomponenten zu erwarten ist.
Diese Instandhaltungsart kommt dann zum Einsatz, wenn auf Grund der Betriebserfahrungen ausreichend Informationen über das Betriebsverhalten bestimmter Betriebsmittelkollektive vorliegen und einzelne Betriebsmittel nicht oder nur teilweise mit Einrichtungen zur Zustandsüberwachung ausgerüstet sind. Bauteile werden präventiv hinsichtlich zukünftigen Versagens ausgetauscht.
4.3 Zustandsorientierte Instandhaltung
Condition Based Maintenance (CBM)
Für bestimmte Anlagen kann eine effizientere Instandhaltung dadurch erreicht werden, dass man die Aktivitäten mehr auf die Besonderheiten und Anforderungen des zu betrachtenden Anlagenteils ausrichtet. Zeitpunkt und Umfang der zu ergreifenden Maßnahmen werden in diesem Fall vom Zustand des jeweiligen Objektes abhängig gemacht. Um eine solche zustandsorientierte Instandhaltung erfolgreich durchführen zu können, müssen ausreichend Informationen über die Betriebsmittel zur Verfügung stehen. Nur dann kann der Zustand qualifiziert und zuverlässig beurteilt werden. Diese Informationen können im Rahmen der Zustandsüberwachung oder durch Zustands- und Diagnosemessungen oder durch Stichproben gewonnen werden. Die zustandsorientierte Instandhaltung ermöglicht, die Instandhaltung durch Verringerung des Aufwandes und der Häufigkeit technisch und wirtschaftlich effizienter zu gestalten. Darüber hinaus wirkt sie sich positiv auf die Verfügbarkeit und Nutzungsdauer aus. Unvorhergesehene Ausfälle werden nur noch selten auftreten. Die Zustandsinformationen erlauben eine weitgehende Ausschöpfung der Nutzungsdauer.
Die zustandsorientierte Instandhaltung bietet sich bei solchen Betriebsmitteln an, die mit Einrichtungen zur Zustandsüberwachung und -Beurteilung ausgerüstet sind oder bei denen eine Zustandsbeurteilung durch Inspektion oder Diagnosemessungen möglich ist.
Zur Ermittlung des Zustandes werden die Wichtigkeit des Anlageteils (kritische Pfade – wichtige Anlagenteile werden bei gleichen Zuständen höher bewertet) und die Gewichtung der erfassten Mängel zu einem vergleichbaren Anlagenzustandswert berechnet.
4.4 Zuverlässigkeitsorientierte (Prioritätenorientierte) Instandhaltung
Reliability-Centered Maintenance (RCM)
Die zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung berücksichtigt neben den Daten der aktuellen Zustandsermittlung weitere Daten wie Alter, Produktionsdaten (ERP), Ersatzteilverfügbarkeit, Erfahrung des Betriebs- und Servicepersonals, besondere Vereinbarungen mit Netznutzern, netzplanerische Gesichtspunkte sowie allgemeine Betriebserfahrungen. Die einzelnen Größen können bei der Zustandsbewertung unterschiedlich gewichtet werden. Die Informationen der Betriebsmittelebene werden mit Informationen der Systemebene zur Priorität verknüpft.
Durch Priorisierung können Einflüsse aus der Wichtigkeit von Anlagen im jeweiligen Betrieb aus Synergieüberlegungen zur Kombination verschiedener Netzmaßnahmen berücksichtigt werden.